So vielseitig wie seine Geschichte. Wie der Auxerrois als stiller Star mit viel Charakter immer höhere Wellen der Beliebtheit schlägt, weiss unser Weinjournalist Axel Biesler
Er gehört nicht zu den Zankhaften, die man erst eine Zeitlang in der Flasche und später auch noch im Glas besänftigen muss, damit sie eine Ahnung ihrer Schmackhaftigkeit preisgeben. Wenngleich er gegen Gleichmut gar nichts einzuwenden hat. Im Gegenteil: Er mag es, wenn man sich Zeit mit ihm lässt. Gleichwohl steht er dem durstigen Zecher gelassen entgegen. Auch aromatisch bleibt er sich treu, ist ein aufrechter Kerl, der keinen großen Wind um seinen Duft macht. Sprachlos bleibt er aber beileibe nicht, sondern wägt jedes Aroma nur sorgsam ab. Keines zu viel und keines zu wenig. Eine Weinsprache, die jeder versteht und dennoch nicht einfältig ist.
Wenn die eifrigsten Wein-Connaisseurs diesmal kein Feuerwerk aus den seltensten Früchten, Gewürzen und Blüten dieser Erde abbrennen, ist diese genussvolle Stille allein ihm zu verdanken. Er hat das alles nicht nötig. Geschmacklich trifft er den heutigen Zeitgeist ziemlich genau, wobei neben den Weißen zunehmend Graue und Weiße Burgunder die Gunst der heimischen Zecher erringen. Feine Creme und sanfte Säure sind am Gaumen derzeit offenbar schwer en vogue. All diese Eigenschaften besitzt er. In aller Munde müsste er sein, Star in der Weinszene, Liebling aller Gelegenheitszecher gerufen werden. Leider treffen sie nicht zu. Auxerrois heißt unser schmackhafter Freund, der alles in petto hat und trotzdem ein unscheinbares Dasein als Spezialität führt. Zu Unrecht. Denn wo etwa der Gewürztraminer ein sehr einnehmendes Wesen besitzt und erst in kleinen Dosen seine Delikatesse offenbart, lässt sich der Auxerrois gleich kelchweise und mit größtem Genuss trinken.
Dazu trägt auch sein vergleichsweise moderater Alkohol bei, der selten über 12,5 Volumenprozent erreicht. Ist es am Ende seine eigene Bescheidenheit, die ihn an seinem Durchbruch in der Weinwelt hindern? Über seine Herkunft lassen sich lediglich Mutmaßungen anstellen, weshalb der Auxerrois auch als Findelkind gelten darf, der seine seltenen Wurzeln schließlich im Elsass und in Luxemburg geschlagen hat. Seine größte Reise unternahm er einmal nach Südafrika, wo er bis in die achtziger Jahre unter falschen Namen als Chardonnay registriert war und zu namenlosem Wein verarbeitet wurde. Vielleicht könnte es aber auch einfach zu seinem Charakter passen, dass der Auxerrois sein Selbstbewusstsein nicht aus dem Applaus der Massen zieht, sondern dort zur Entfaltung kommt, wo man ihn so nimmt, wie er ist. Da ist es am Ende auch gar nicht verwunderlich, dass er im kleinen Kraichgau ein bescheidenes Zuhause gefunden hat.
Unbehelligt von den Metropolen des Landes, gedeiht er hier prächtig in diesem nördlichen Gebiet Badens, das ebenso bescheiden bleibt wie dieser Wein: Keine leeren Geschmacksparolen, sondern einfach guter Wein – der bedarf nicht vieler Worte. Bis dahin wäre er ohnehin längst ausgetrunken.
2016 Auxerrois trocken Weingut Heitlinger, Östringen-Tiefenbach